Die Torstrasse ist ein einzigartiges Element in Berlin. Sie hat das Potential einer der wichtigsten Boulevards Berlins zu sein. Dieses Potential kann sie aufgrund der Überbelastung durch den Automobilverkehr nicht ausschöpfen und bleibt in den Köpfen der Berliner und der Touristen als laute, dreckige Schlucht in Erinnerung. Aufgrund der Lage mitten im dynamischsten Viertel Berlins hat die Torstrasse eine Schlüsselfunktion für die gesamte Entwicklung des Gebiets.
Die Torstrasse ist in seiner städtebaulichen Entwicklung weit hinter den angrenzenden Stadtteilen Spandauer und Rosenthaler Vorstadt zurückgeblieben. Sie verhindert, dass diese Stadtteile ihre Kräfte vereinen können, weil der Verkehrsstrom so stark ist, dass Fußgänger die Strasse kaum überqueren können. In dem jetzigen Zustand wirkt die Torstrasse als gebietsübergreifende Entwicklungsbremse.
Die Torstrasse hat das Potential eine Flaniermeile von Weltklasse zu werden. Breite Gehwege, grosse Bäume, einzigartige Läden und Galerien, flankiert auf beiden Seiten von aufstrebenden Stadtvierteln die ihres Gleichen suchen im Zentrum einer Metropole. Um diese Vision zu verwirklichen, muss die Dominanz des Verkehrs reduziert werden.
In einer Strasse in der die meisten Autofahrer deutlich schneller als die erlaubten 50 km/h fahren, herrscht eine lebensbedrohliche Atmosphäre. Fussgänger riskieren ihr Leben bei dem Versuch die Strasse zu überqueren. Die Fahrradfahrer haben keinen Schutz - weder Blechhaut, noch Airbags, ganz zu schweigen von einer eigenen Spur. Die Anwohner müssen nachgewiesenermaßen mit einer verkürzten Lebenserwartung rechnen, weil sie permanent mit Lärm, Abgasen und Feinstaub weit über die zulässigen Grenzwerte hinaus belastet werden.
Die Mehrheit der Berliner hat kein Auto. In ganz Berlin entwickelt sich die Verkehrsberuhigung stetig voran. Bis auf wenige absurde Beispiele, wie z.B. der geplante Ausbau der Invalidenstrasse zu einer vierspurigen Autostrasse, setzt Berlin auf alternative Transportmittel zu dem motorisierten Individualverkehr (MIV). Stadtunfreundliche Tunnel und Unterführungen, wie an der Gedächtniskirche oder am Alexanderplatz werden stillgelegt und zugeschüttet. In der ganzen Stadt trifft man zunehmend auf Tempo - 30 - Zonen in Hauptverkehrsstrassen. Autospuren werden zurückgebaut und durch Farhrradspuren ersetzt. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Interessen der Mehrheit der Berliner, die ohne Auto in dieser Stadt leben, endlich von der Verkehrspolitik berücksichtigt werden. Es ist kein lokaler, sondern ein internationaler Trend, dass die motorisierte Gesellschaft sich eingestehen muss, sich selbst in die Knie gezwungen zu haben.
Die Zeit ist reif, die wichtige Rolle der Torstrasse für die gesamte Entwicklung Berlin's zu erkennen, und ihr Potential für mehr als eine innerstädtische Rennpiste auszunutzen.
Mitte muss zusammenwachsen. Von der Museumsinsel über den Hackeschen Markt und die gesamte Spandauer Vorstadt bis hin zu der Mauergedenkstätte in der Bernauer Strasse, könnte ein Viertel von internationaler Bedeutung bekräftigt und vereint werden.
Die Spandauer Vorstadt platzt schon jetzt aus allen Nähten. Die kleinen einzigartigen lokalen Läden, die diese Entwicklung katalysiert haben werden zunehmend in entlegene Gebiete verdrängt, weil die Verknüpfung zu dem nördlichen Nachbarviertel fehlt. Damit verschwinden sie komplett aus dem zentralen Stadtbild. Wenn sich die Entwicklung in dieser Art fortsetzt, wird Mitte es schwer haben, sich an der internationalen Spitze vergleichbarer Stadtgebiete zu behaupten, weil die notwendige Grösse und Vielfalt fehlen.
Mit einfachen Mitteln könnte der Senat der Verdrängung der Vielfalt entgegenwirken. Simple Massnahmen, wie den Verkehr auf eine Spur plus Fahrradspur zu restrukturieren würden die Gegend enorm verändern. Durch gezielte Bepflanzungen könnte der boulevardartige Charakter der Strasse verstärkt werden. Derartige minimale Eingriffe würden die Attraktivität der Torstrasse so enorm steigern, dass die restlichen notwendigen Veränderungen durch private Investitionen der Grundstückseigentümer schnell folgen würden. In diesem Sinne wäre die Verkehrsberuhigung ganz im Sinn unserer 'Arm aber Sexy' Stadt, dessen Haupteinnahmequelle der Tourismus ist, der immer auf der Suche nach neuen Methoden ist, um auf dem internationalen Markt zu punkten.